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Mehr als ein Mäzen - Zu Besuch bei HSV-Förderer Helmut Bohnhorst, der Themen wie Energie und Ernährung viel spannender findet als Fußball

Die Frage, wer Helmut Bohnhorst nun wirklich ist, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Die „Bild“ hat sich des offenkundigsten Klischees bedient und salopp von „Landwirt Helmut“ geschrieben, dem „geheimen Geldgeber des HSV“, der sich im April geoutet habe. Das „Hamburger Abendblatt“ definierte den Steimbker vor kurzem als „Naturburschen“ und in seiner Art als „Anti- Kühne“, also als Gegenstück zum Milliardär-Mäzen des Hamburger SV mit dem oft unbequemen Anspruch auf Mitsprache. Auch Die Harke wagt sich nun an den Versuch, diesen Mann, der im Frühjahr bundesweit für Schlagzeilen sorgte, weil er Anteile des taumelnden HSV im Wert von vier Millionen Euro gekauft hatte, ein wenig zu enträtseln. Und musste feststellen: gar nicht so einfach.

Dabei ist der berufliche Werdegang des heute 55-Jährigen noch recht einfach nachzuzeichnen. Seit seinem Einstieg beim Hamburger SV hat Helmut Bohnhorst sogar einen Eintrag in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia. Dort wird der Weg nachgezeichnet vom Firmengründer Wilhelm Bohnhorst, dem Ururgroßvater des heutigen Firmenchefs, bis zum Verkauf der Landhandel-Sparta an die BayWa AG mit Sitz in München in zwei Etappen (2013 und 2014) für einen zweistelligen Millionenbetrag.
Bohnhorst wohnt mit seiner Familie seit jeher nahe des Steimbker Firmensitzes an der Hohen Straße. Vor fünf Jahren hat er neu gebaut, das Haus mit weiß verputzten Mauern und großen Fensterflächen wirkt modern und wertig, ist aber weit entfernt vom Protz neureicher Millionäre. Das riesige Gartengelände pflegt Bohnhorst selbst, hier genießt er die Ruhe. Zwei Studenten helfen zurzeit. Diese Parallelwelt tut ihm gut. Er erklärt: „Direkt nach dem Aufstehen beginnt es zu rattern, was ich alles tun kann. Aber hier kann ich abschalten.“ Spleenige Hobbys, wenn man den HSV an dieser Stelle mal ausklammert, gibt es nicht, Bohnhorst ist offenkundig kein Abenteurer, keiner, der den Kick plötzlich im Motorsport sucht oder den Pilotenschein anstrebt oder den Fuhrpark um einen Bentley erweitert. Bohnhorst hat ein Credo: „Weiß genau, womit Du handelst. Und arbeite kostendeckend.“ Den abschließenden Finanztest besteht er weitgehend. Frage: Wissen Sie stets, wie viel Geld Sie im Portemonnaie haben?“ – „Immer genug, um mit dem Taxi von Hamburg nach Steimbke zu kommen.“

Auch die sportlichen Vorlieben sind hinlänglich bekannt. Von Kindesbeinen an ist Bohnhorst Fan des Hamburger SV, am Auto prangt das Wappen und an der Hauswand hängt die Fahne. Daheim gilt die Sympathie auch dem SV BE, seit über 30 Jahren unterstützt die Familie Bohnhorst den Klub, der Kunstrasenplatz im Waldstadion wäre ohne Bohnhorsts Unterstützung heute wohl noch immer in der Planungsphase.

Schnell beiseite wischen darf man die Erwartung vom Unter- nehmer in Anzug und Krawatte, dafür wird er dem Bild vom Fußball- und Naturfan gerecht. Helmut Bohnhorst empfängt seinen Gast im Hamburg-Trikot und mit SV BE-Trainingsjacke, trägt dazu eine schwarze Jogginghose und grüne Gartenclogs. Zum Gespräch gibt‘s glutenfreien Kuchen, nicht zu süß und natürlich selbstgemacht, die Johannisbeeren im Garten eigenhändig geerntet.

An dieser Stelle sollte nun eigentlich ein Interview mit dem Steimbker beginnen. Ein Interview mit der Frage nach seiner über Jahrzehnte eher dünnen Präsenz im Waldstadion, wo er in den Siebzigern noch selbst gekickt hat. Mit Fragen nach den Reaktionen auf seinen Anteilserwerb beim HSV. Mit Fragen nach persönlichen Wesenszügen – in der Hoffnung, vielleicht ein paar unbekannte Seiten freizulegen. Mit Fragen, die ansonsten eher sportliche Hintergründe hatten. Doch hier steht kein Interview, weil Helmut Bohnhorst einerseits kein Freund von kurzen, präzisen Antworten ist und sich außerdem nur bedingt daran orientiert, was man ihn fragt. Sondern viel mehr daran, was er mitteilen möchte. Letztlich ist das nicht minder interessant.

„Mit 16 war die Schule beendet, mittlere Reife hat für mich sowieso gereicht und mehr konnte ich glaube ich auch nicht. Aber ich hatte ein Ziel.“

Sein Vater, Bauunternehmer Helmut Bohnhorst senior, hätte seinen Spross lieber in der gleichen Branche gesehen, doch für den Junior stand von kleinauf fest: Er will in die Landwirtschaft. Die simple Logik dahinter: „Gegessen wird immer, gebaut nur, wenn etwas kaputt ist.“ Bohnhorst war zwar noch bis 1996 Angestellter seines Vaters, steckte aber schon seit den Siebzigern alle Energie in den Aufbau seines Landhandels, ging nach der Grenzöffnung in die ehemalige DDR, blieb dort sechs Tage die Woche, machte seine Geschäfte vor Ort und hob sich mit seiner geradlinigen Art ab von vielen anderen westlichen Investoren, die damals die schnelle Mark gesucht haben. Noch heute genießt Bohnhorst bei seinen Partnern großes Vertrauen, manche Betriebe boten ihm sogar Gesellschafterposten an. Bohnhorst expandierte, gründete neue Sparten, Abteilungen, Firmen, baute bei Greifswald sogar einen Hafen, um seinen Warenumschlag effizienter zu gestalten.
Ein Großteil seiner Aufmerksamkeit gehört heute der Logistik. Er sieht die Zukunft auf der Schiene, allerdings nicht in den Waggons, deren Gros auf dem Entwicklungsstand von 1970 steht. Bohnhorst schimpft auf die Politik, die das Thema scheinbar nicht interessiert – und macht es eben selbst. In Rumänien lässt er Leichtwaggons entwickeln.

Viele Jahre blieb jedenfalls keine Zeit für Fußball. Keine Zeit für den SV BE und auch nicht für den HSV. Das Thema Fußball ist auch im Gespräch längst in den Hintergrund gerückt. Mit kleinen Ausnahmen. Der Bitte um Unterstützung beim Bau des Kunstrasenplatzes kam Bohnhorst vor einigen Jahren gerne nach, obwohl er das Projekt nicht sonderlich mochte, „ich bin ein Rollrasenfan“. Er hilft dem Klub aber nicht allein materiell, son- dern kümmert sich mehrmals im Jahr um die Pflege des A- Platzes. Der hat heute, auch bedingt durch die B-Platz-Entlas- tung, mindestens die Qualität des allseits gerühmten Markloher Schulsportplatzes.

Welch erfolgreicher Mann da die Steimbker fördert, das erfuhr die breite Öffentlichkeit indes erst nach dessen Einstieg beim HSV. Erst 2006 entflammte diese alte Liebe zum Bundesliga-Dino neu – und wurde in der vergangenen Saison hart auf die Probe gestellt. „Da sind wir immer traurig aus Hamburg nach Hause gefahren, das war ohne Alkohol kaum auszuhalten.“ Und doch weckte die angekündigte Ausgliederung der Profiabteilung im vergangenen Jahr sein Interesse. Für vier Millionen Euro kaufte Bohnhorst HSV-Anteile just in der Phase, als es im Klub drunter und drüber ging und sich die Trainer die Klinke in die Hand gaben. Bohnhorst wollte seinen Einstieg auch als Zeichen der Unterstützung und der Solidarität verstanden wissen und gab sein Okay, die Medien mit ins Boot zu holen; „Bild“ und alle anderen berichteten großflächig.

Bohnhorsts Deal wurde im Kreis Nienburg zwiespältig aufge- nommen. Dass ein Bürger aus dem Kreis Nienburg imstande ist, beim großen HSV einzusteigen, überraschte und nötigte nicht nur den hiesigen HSV- Fans Respekt ab. Andere wiederum fragten öffentlich, ob ein Engagement im Kreis Nienburg nicht sinnvoller gewesen wäre als die „Geldverbrennung in Hamburg“. Bohnhorst selbst hat die Diskussion nicht weiter verfolgt, warum auch. „Ich glaube nicht, dass mich die Leute dafür verurteilen. Vorübergehend vielleicht. Aber ich erwarte auch keine Lobeshymnen. Ich zahle hier nicht unerheblich Steuern, ich unterstütze gerne Vereine, auch in den neuen Bundesländern. Aber ich kann nicht ganz Deutschland helfen, nur weil ich beim HSV eingestiegen bin.“ Den kurzen Ausflug ins Kernthema dieses Gesprächs wischt Bohnhorst dann wieder schnell beiseite. Weil ihm andere Themen wichtiger sind als der Fußball. Wie zum Beispiel das EEG, das kontrovers diskutierte „Erneuerbare Energien-Gesetz“, das Großunternehmen bei den Strompreisen deutlich bevorteilt im Vergleich zu Unternehmen der Marke Bohnhorst. Oder aber das Logistik-Thema: „Unser Staat gibt Fördermittel für jeden Blödsinn, aber nicht für den Neubau von Waggons, mit denen man fast CO2-neutral fahren kann.“ Drittes Lieblingsthema neben Energie und Logistik und noch vor Fußball: Ernährung. Und das beginnt bei Bohnhorst im Garten. Garten? Auf der 40 000 Quadratmeter großen Parkanlage hat Bohnhorst viel- mehr eine Kleinausgabe der Bundesgartenschau geschaffen. Vor vier Jahren hat er mit der Kultivierung des Geländes begonnen und ein Mosaik aus Blumen, Sträuchern, Kräutern, Bäumen, Steinen,Rasen und Tieren geschaffen. Gern führt er interessierte Gäste durch die Anlage, demnächst will eine Steimbker Damen-Gruppe vorbeischauen, gern dauert die Führung bis zu drei Stunden. Bohnhorst knipst eine Erbsenschote ab und knabbert die grünen Kügelchen, deutet an einer anderen Stelle auf den Oregano-Strauch, „der hat eine ähnliche Wirkung wie Antibiotika.“ Bohnhorst kennt jede Pflanze beim Namen. Spätestens in dieser Umgebung verhärtet sich der Eindruck: Hier steht mitnichten ein Mann gegenüber, der sich auf den millionen- schweren HSV-Sympathisanten reduzieren lässt. Bohnhorst selbst charakterisiert sich recht glaubwürdig so: „Ich wollte nie etwas Besonderes darstellen“, sagt er. „Aber ich bin froh, dass ich halbwegs gesund bin, dass meine Familie gut zusammenhält, dass meine Firma das angestrebte Maximum erreicht hat. Außerdem esse ich gern gut! Aber es war nie mein Ziel, reich zu werden. Geld hat mir nie viel bedeutet.“

Der Beleg der Aussage steht draußen vor der Tür. Vor kurzem hat sich Helmut Bohnhorst ein Auto gekauft, einen weißen VW. Einen Gebrauchtwagen. „Der war viel günstiger als ein Neuer.“

aus: "Die Harke", Ausgabe vom 18.07.2015

 

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