Ralf Przyklenk schickte Marcel Wind nach gut einer Stunde zum Aufwärmen, obwohl er wusste, dass er ihn nicht bringen würde. Vielleicht war einfach der Wunsch der Vater des Gedanken, vielleicht wollte der Trainer dem Offensivmann einfach nur mitteilen, wie sehr er ihn bald wieder braucht und dass er dessen Comeback herbeisehnt.
Wind steht aufgrund einer Knöchelverletzung in dieser Saison noch bei null Einsätzen, der Bänderriss von Anfang Juli zieht sich ungewöhnlich lange hin. „Ich fühle mich jetzt langsam wieder richtig gut, habe keine Schmerzen mehr“, erzählt Wind. Und doch fehlt noch die Sicherheit und die Bereitschaft, 100-prozentig in die Zweikämpfe zu gehen. Immerhin: In ein, zwei Wochen könnte das Comeback konkret werden.
Winds Ausfall wäre für Przyklenk noch weitgehend kompensierbar, wenn nicht mit Oliver Poltier noch ein weiteres offensives Zugpferd ausfallen würde. Der war am Sonntag beim 2:1-Erfolg gegen Stuhr noch weit davon entfernt, zum Aufwärmen geschickt zu werden, sein Außenbandriss wird ihn noch gute drei Wochen behindern. Vielleicht ist der langfristige Ausfall des Duos der Primärgrund, warum der SV BE die vermeintlich kleinen Gegner daheim weitgehend beherrscht (vier Heimsiege), auswärts bei den Großen (Mühlenfeld, Drakenburg, Wetschen) aber keinen Fuß in die Tür bekommt.
Beim 2:1 gegen Stuhr hatte Przyklenk auch ohne das Duo eine höchst offensive Formation gewählt: erstmals zwei Spitzen (Sascha Pachonik, Tim Tatzko trotz Trainingsrückstandes), dahinter mit Hendrik Pietsch und Patrick Pachonik zwei Mittelfeld-Außen, die ebenso Druck ausüben sollten, plus zwei Abwehrspieler (Torben Brauer, Dennis Pissor), die zusätzlich immer wieder vorn hineinstießen. Soviel zur Theorie, denn gegen den braven, aber defensiv kompakten TV Stuhr langte das 91 Minuten lang nur zu einem Pachonik-Treffer; dass die Steimbker am Ende noch jubeln durften, verdankten sie dem Pietsch-Elfmeter in der Nachspielzeit.
Dass es zurzeit nicht richtig läuft bei den Steimbkern, diesen Schuh müssen sich Offensive und Defensive gleichermaßen anziehen, denn die jüngere Vergangenheit bescherte immer wieder die Erkenntnis: Die Versäumnisse vorn werden immer wieder hinten bestraft. Sonntag gegen Stuhr sorgte der ansonsten als abgeklärt bekannte Mirko Theiss zwei-, dreimal für Hektik im Abwehrzentrum. Nur gut, dass daneben Thomas Wulf zurzeit als personifizierte Stabilität durchgeht. „Thommy macht das da hinten richtig gut“, lobt Przyklenk. Wulfs Vorzüge: unaufgeregt, sicheres Stellungsspiel, super Zweikampfführung.
Tabellenführer Wetschen ist schon neun Zähler weg, aber Platz zwei ist nur ein Pünktchen entfernt für die Brigittaner. Der dürfte demnächst mit Poltier, Wind und dem aktuell urlaubenden Jan-Niklas Remmert aufzuholen sein. Zumal die Hürde Altstadtfest auch passé ist. Der Trainer: „Einige hatten in der zweiten Halbzeit schon schwar- ze Punkte vor den Augen.“
aus: "Die Harke", Ausgabe vom 30.09.2014