Während die Spieler nach dem entscheidenden Sieg gegen Hoya noch Purzelbäume schlugen, Polonaisen bauten und sich das Bier in die Ohren spritzten, hatte sich Ralf Przyklenk mit seinem Stab dünne gemacht, man gönnte sich vorn auf der Terrasse des „Waldbads“ in gediegener Runde ein paar Kaltgetränke und ge- noss den Aufstieg besinnlich, wie das eben reifere Herren so tun. Es dauerte jedoch nicht lang, da überfielen die jungen Hunde die Runde, trugen Przyklenk samt seines Stuhls erst durchs Waldbad und dann zum benachbarten Naturbad, um ihn schlussendlich dort zu versenken.
Die kleine Szene vom Aufstiegstag des SV BE Steimbke dokumentierte zweierlei: Ralf Przyklenk gönnt sich auch mal Abstand vom Team, obgleich er fester Bestandteil ist. Zum Ver- gleich: Auch Vorgänger Volker Datan feierte mehrere Aufstiege mit dem Team. Ihn ins Bad zu werfen, das traute sich jedoch niemand.
In den vergangenen zwölf Monaten ist beim SV BE etwas zusammengewachsen, von dem der Klub noch eine ganze Weile zehren könnte. Etliche Facebook-Videos dokumentierten im Sommer den Zusammenhalt und die Geschlossenheit des jungen Teams mit einem Durchschnittsalter von Mitte 20 und einem Erfolgshunger von stets 100 Prozent. Nun spielt der SV BE Steimbke in der Landesliga, zur Tragweite des Ereignisses wurde alles gesagt. Allerdings stellt sich die Gretchenfrage: Dauert das Steimbker Abenteuer in Liga sechs länger als beispielsweise die Kurzbesuche des SC Uchte 2011 und 2014? Ralf Przyklenk beantwortet diese Frage recht eierig, aber sie verrät die Selbstwahrnehmung: „Vorneweg steht der Klassenerhalt. Aber dann streben wir einen einstelligen Platz an.“
Nun könnte diese Zielsetzung durchaus die Spätfolge eines konservierten Selbstbewusstseins aus den Aufstiegstagen sein. Und doch scheint mehr zu stecken hinter dieser Prognose. Denn der SV BE geht mit einem durchaus ansehnlichen Gesamtpaket ins Abenteuer Landesliga.
Die Mannschaft: Ein eingespielter Kader plus acht Neuzugänge stehen Przyklenk zur Verfügung. Dabei dürfte das Grundkorsett wie im Vorjahr aussehen: Die Innenverteidiger Jan Dase (kehrt im September vom Bundeswehr-Auslandseinsatz zurück) und Thomas Wulf, Allzweckwaffe Patrick Pachonik, Kilometerfresser Sönke Bremermann, Edeltechniker Oliver Poltier und Tormaschine Sascha Pachonik dürfen sich als gesetzt betrachten. Dahinter kämpfen fast 15 Männer gleichen Niveaus um die übrigen Plätze. Um das Potenzial mit dem Uchter Landesliga-Aufsteiger von 2014 zu vergleichen, hilft eine per sonelle Gegenüberstellung. Ergebnis: Im damaligen Uchter Stammkader fanden sich mit Kai Bredemeyer, Florian Heidenreich, Jens Hilgemeyer und Stephan Lübke kaum mehr als vier Akteure mit individueller Landesliga-Substanz wieder. In Steimbke ist man geneigt, dieses Etikett weitaus mehr Spielern aufzudrücken: Dase, Wulf, Dennis Pissor, Bremermann, den Pachoniks, Poltier, Christopher Marre, Marcel Wind, Jan-Niklas Remmert, vielleicht auch Mirko Theiss und Neugebauer.
Die Infrastruktur: Der A-Platz im Waldstadion befindet sich in Topzustand,in der kalten Jahreszeit bietet der Kunstrasenplatz ebenso beste Voraussetzungen; die Erfolgsquote auf diesem Platz geht fast Richtung 100 Prozent.
Das Umfeld: Przyklenk hat viele helfende Hände. Partner Martin Finze, der neue Co- (Spieler) Trainer Dominik Chwalek, Torwarttrainer Falk Siemering, Betreuer Rudolf Mutz, Spielobmann Jörg Junkersdorf, Spartenleiter Joachim Guse. Gemeinsam mit Förderer Helmut Bohnhorst werden dem Team nahezu alle Wünsche erfüllt. Dabei gilt das Motto der Bodenständigkeit: Individualprämien gibt es auch in der Landesliga nicht. „Die wird es auch nicht geben, solange ich hier im Amt bin“, betont Jörg Junkersdorf, der sich quasi zu einem Teammanager entwickelt hat.
Das Gesamtpaket ist anständig, „das ist aber auch die Voraussetzung, um in der Landesliga Fuß zu fassen“, sagt Przyklenk. „Es muss unser Ziel sein, dauerhaft das Flaggschiff im Kreis zu sein.“
Neun Neuzugänge forcieren seit Anfang Juli den Konkurrenzkampf. Vor allem im Tor: Hier wird Kapitän Sebastian Schwarzenberg künftig von Christoph Degner-Thies gekitzelt. „Schwarzer ist der Platzhirsch, aber es gibt keinen Freibrief“, sagt der Trainer. Einen guten Eindruck hinterließen in den ersten Trainingseinheiten auch Außenbahnspieler Kai Rieckhof und Defensivmann Arnold Schneider. Den Trend der jungen Leute im Waldstadion setzen Angin Haido („viel Potenzial, muss aber noch konzentrierter arbeiten“), Jonas Haake (erst 2017 spielberechtigt, aber hochtalentiert) und auch Ole Wesemann („gute Technik und Dynamik, muss aber körperlich zulegen“) mit, der zuletzt in der 1. Kreisklasse 31-mal einnetzte. Stefan Drobnjak bringt ebenso eine gute Veranlagung mit, noch offen ist, ob der Serbe dauerhaft in Deutschland bleiben kann.
Die Steimbker werden in ihrem ersten Landesliga-Jahr auf eben jene Qualitäten setzen, die sie zuletzt souverän durch die Bezirksliga getragen haben: eine stabile Deckung, schnelles Umschalten, druckvolles, dynamisches Angriffsspiel. „Wir werden nicht viel ändern“, sagt der Trainer. „Und wir wollen uns nicht zu sehr nach den Gegnern richten.“
aus: "dribbling", Ausgabe vom 29.07.2016