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Wir trauern um unseren Ehrenvorsitzenden Walter Rudolph

Walter RudolphAls Walter Rudolph im Jahr 2005 die Regentschaft beim SV BE Steimbke abgab, verabschiedete ihn sein Nachfolger Peter Bartsch mit zwei besonderen Gesten. Zunächst ließ er seinen Vorgänger, der 27 Jahre an der Spitze des SV BE stand, zum Ehrenvorsitzenden ernennen. Dann verabschiedete er ihn mit den Worten: „Du warst eine Zierde für diesen Verein.“ Das war er und das wird er bleiben.

Walter Rudolph, diese schillernde Figur in einem bisweilen farblosen Amt, starb am vergangenen Freitag im Alter von 74 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit. Der Fußball-Kreis Nienburg hat eine außergewöhnliche Persönlichkeit verloren.

Walter Rudolph war kein Vereinsvorsitzender. Walter Rudolph war Präsident. Rudolph umgab der Charme des Weltmanns, elegant und eloquent, unterhaltsam und erfrischend, nahbar, aber nicht unkritisch. Das Schicksal meinte es gut mit dem gebürtigen Wendener.

Der Diplom-Bauingenieur berichtete später gern von spannenden Bauprojekten wie der Köhlbrandbrücke in Hamburg. Er machte Karriere beim Erdgas- und Erdölkonzern Brigitta Elwerath, der über Jahre in der Steimbker Samtgemeinde Öl förderte, der zugleich Initiator einer Betriebssportgruppe war, aus der später der SV BE Steimbke hervorging. Es waren die goldenen Jahre des Vereins, üppig protegiert von der BEB, der aber nach dem Abschied des Konzerns aus Steimbke erst wieder die Selbstständigkeit erlernen musste. Rudolph genoss es, sich in den gehobenen Kreisen des Fußballs zu bewegen. Daheim schmücken viele Bilder mit ehemaligen Heroen des Fußballs die Wände – Franz Beckenbauer, Lothar Matthäus, Wolfgang Niersbach, Hermann Neuberger. Viele Jahre gehörte Rudolph dem „Freundeskreis der Nationalmannschaft“ an – eine fröhliche Gruppe gut situierter Männer, die das Team hautnah begleiteten, gemeinsam im Flieger zu den Spielen in aller Herren Länder reisten; an seiner E-Klasse prangte über Jahre das Logo des DFB. Und innen drin im Mercedes rief er mit Laptop und Siemens-Handy nach Auswärtsspielen seiner Steimbker bereits Informationen und Ergebnisse ab, als sich der Begriff „Internet“ noch gar nicht flächendeckend durchgesetzt hatte.

Walter Rudolph hätte es ebenso verdient, zum Ehrenmitglied der Tabakindustrie ernannt zu werden. Er ließ sich diese Passion (um das Wort Laster zu vermeiden) von niemandem nehmen. Im hannoverschen Firmensitz der BEB, da wanderte Rudolph mit der Zigarette in der einen und dem Aschenbecher in der anderen Hand zwischen den Büros, zumindest in den Zeiten, als das Rauchen in Gebäuden noch gestattet war. Rudolph schaffte es problemlos, auf der 30-minütigen Fahrt von Nienburg nach Havelse zum Testspiel des TSV gegen 96 drei Zigaretten zu dampfen – in einem Nichtraucherauto.

Sein Gesundbrunnen, quasi das Pendant zum Schmöken, war über viele Jahrzehnte die Steimbker Erstvertretung. Erst als Spieler mit überschaubarem Talent, später eine kurze Zeit sogar als Trainer in den Siebzigerjahren, schließlich als Präsident und enger Begleiter des Teams. Trotz des Altersunterschieds von mehr als einer Generation fühlte sich Walter Rudolph pudelwohl im Kreise der jungen Leute, zog mit ihnen nach den Spielen um die Häuser Nienburgs, nahm an vielen noch heute unvergessenen Mannschaftsfahrten nach Cala Ratjada teil, tanzte auf dem Lautsprecher und sang lauthals den Refrain zu „Mambo No. 5!“ In der Villa Massanet, dem Steimbker Stammhotel, gibt es noch heute die „Präsidenten-Suite; das Schild hatte Rudolph einst persönlich angebracht. Die Fußballer wiederum betrachteten Rudolph immer als einen der ihren. Rudolph war generationskompatibel, und er trat den Menschen mit offenem Visier gegenüber. Das passte nicht jedem, aber wenn er stritt, dann für seine Überzeugung, gerade heraus. Anständiger Umgang war im wichtig. Als die Ehe mit seiner Frau Rotraut nicht zu retten war, da blieb man sich freundschaftlich verbunden, Jahre später feierten die beiden gemeinsam mit den heute erwachsenen Töchtern Mirja und Sina sogar Silberhochzeit.

In Rudolphs Ära fiel 1985 der Neubau des Funktionsgebäudes und zwei Jahre später die Überdachung der Tribüne, zum 40-jährigen Bestehen des SV BE lockte er 1989 Uwe Seeler und dessen Oldie-Nationalmannschaft ins Waldstadion. „Sein Wirken als Vorsitzender hat den SV BE erst zu dem Klub gemacht, wie er sich aktuell präsentiert“, sagt Rudolphs Nachfolger Peter Bartsch. „Viele Dinge, die heute selbstverständlich sind wie der Ausbau des Waldstadions mit Tribünen, die Öffentlichkeitsarbeit und das Corporate Design des Klubs sind aus seiner Schaffenskraft oder seinen Ideen entstanden.“

Am Freitag, 11. Mai, findet um 14 Uhr in Wenden die Trauerfeier statt. „Wir verlieren mit Walter Rudolph einen echten Brigittaner, einen vorbildlichen Präsidenten und einen guten Freund. Sein Rat wird uns fehlen. Wir werden ihn nie vergessen und sein Andenken in Ehren halten“, verspricht Bartsch. In Vergessenheit geraten kann Walter Rudolph ohnehin nicht, denn zumindest zwei Sätze ihres Präsidenten benutzen die Steimbker Fußballer vornehmlich älteren Jahrgangs noch heute. Der eine wird gern in geselliger Runde angewandt, wenn die Bedienung an den Tisch tritt. „Schenk ein – mach Striche!“, rief Rudolph dann mit Wonne. Etwas mehr Tiefgang hatte der Satz, den Rudolph in nahezu allen Lebenslagen anwenden konnte: „Das gehört zur Menschwerdung dazu“, und alle nickten. Der Satz passt nun sogar zu seinem Abschied. Denn so traurig die Erkenntnis auch ist: Der Tod gehört auch für Präsidenten zur Menschwerdung dazu.

Stefan Schwiersch aus: DIE HARKE vom 10. Mai.